Veranstaltungsreihe „Im Dickicht der Gendernarrative“: Tolle Gäste und relevante Diskussionen
Am Dienstag startete die Vortragsreihe "Im Dickicht der Gendernarrative". Prof. Thomas Lauterbach spricht im Interview über das Thema in Film und Lehre.
Ein Beitrag von Vanessa Kokoschka und Anne-Kathrin Berg; Fotos: Steven Wolf
Freitag, 17. Januar 2020
Mediencampus der Hochschule Darmstadt
Professor Thomas Lauterbach und die Mitarbeiter*innen des Studiengangs Motion Pictures Elke Baumann und Martin Streit haben 2019 den Ideenwettbewerb des h_da-Gleichstellungsbüros „Gendergerecht“ gewonnen. Deshalb konnte nun ihre Idee zur Vorlesungsreihe „Im Dickicht der Gendernarrative“ finanziert und in die Tat umgesetzt werden. Den Startschuss der Reihe machten diese Woche die beiden filmschaffenden Powerfrauen Barbara Miller und Isabel Meier mit ihrem eindrucksvollen Dokumentarfilm „Female Pleasure“. Im Film dokumentieren sie fünf Frauen, die unterschiedliche, negative Erfahrungen mit Sexualität und deren Umgang erlebten mussten. Wer es verpasst hat: Dringende Film-Empfehlung! Bis Ende Januar könnt ihr euch nun noch auf vier weitere Veranstaltungen zur Darstellung von Geschlechterrollen in Film, VR und Popkultur freuen. Im folgenden Interview spricht Professor Lauterbach über das Thema „Gender in Film und Hochschullehre“.
Warum halten Sie das Thema „Gender“ für relevant?
Die Diskussionen rund um die LGBTQ-Bewegung sind nach wie vor von großer Unsicherheit und auch Berührungsängsten geprägt. In Zeiten der scheinbar allgemeinen Auflösung dessen, was in der Geschlechterzuschreibung als „Norm“ empfunden wird, lohnt es sich, Erzählstrukturen diverser künstlerischer Disziplinen unter die Lupe zu nehmen und zu befragen. Dieses Forum soll ein Ort des angstfreien Raums darstellen, das Klischees entlarvt, Vorurteile abbaut und einen entspannten und doch umsichtigen Umgang in diesen komplexen Fragestellungen lehrt.
#MeToo hat nicht nur die Filmbranche erschüttert – Denken Sie, wir haben durch die Debatten dazu einen Schritt nach vorne gemacht?
Zunächst einmal ist es ein wichtiger Schritt, dass sich die Diskussion nicht nur auf eine Branche bezog, sondern eine gesamtgesellschaftliche Auswirkung hatte. Bisher überwog wohl oft die Scham, sich nicht öffentlich zu äußeren. Ich hoffe sehr, dass der Mut und die Wut von wenigen, zu einer Sensibilisierung geführt hat, um den bewussten, wie unbewussten Missbrauch von Macht früher zu entlarven.
Wie sinnvoll finden Sie gendergerechte Überlegungen wie eine Frauenquote für Filmrollen?
Wie die Studie „Audiovisuelle Diversität“ von Prof. Dr. Elizabeth Prommer, Dr. Christine Linke der Uni Rostock zeigt, kommen Frauen in deutschen audiovisuellen Medien seltener vor. Über alle Fernsehprogramme hinweg kommen auf eine Frau zwei Männer. Doch es gibt eine Ausnahme: Nur Telenovelas und Daily Soaps sind repräsentativ für die tatsächliche Geschlechterverteilung in Deutschland. Bei den Fernsehvollprogrammen kommt ein Drittel der Programme ganz ohne weibliche Protagonistinnen aus (im Vergleich nur 15% ohne männliche Protagonisten). Wenn Frauen gezeigt werden, kommen sie häufiger im Kontext von Beziehung und Partnerschaft vor. Wenn Frauen vorkommen, dann als junge Frauen. Bis zu einem Alter von Mitte 30 kommen Frauen und Männer in etwa gleich oft vor. Ab Mitte 30 verändert sich dies dann: hier kommen auf eine Frau zwei Männer. Ab 50 Jahren kommen auf eine Frau drei Männer. Dieser Schwund findet in allen Sendern über alle Formate und Genres statt. Dies gilt auch für Kinofilme. Im Kinderfernsehen sieht es nicht besser aus, auch hier erklären überwiegend männliche Experten, Gameshow-Moderatoren, Journalisten und Sprecher den Kindern die Welt. Und das sollte sich ändern!
Wie eng hängen für Sie Film und Realität zusammen, was die Bereiche „Geschlecht“ und „Emanzipation“ betrifft?
Sie sind heute nicht voneinander zu scheiden. Die Frage Jean Baudrillards, ob Film die Realität produziert oder die Realität den Film, bleibt unbeantwortbar… Daher ist die Fakultät der richtige Ort über solche Fragen mit angehenden Filmschaffenden zu reflektieren. Wir sind alle von demselben patriarchalen Diskurs geprägt. Männer wie Frauen, diesen gilt es nicht im Gegeneinander, sondern im Miteinander zu hinterfragen…
Welchen Beitrag kann die Hochschule leisten? Wie kann eine gendergerechte Lehre aussehen?
Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit gehören zu den Grundsätzen der Hochschule Darmstadt. Frauenförderung und Gender-Mainstreaming bilden dabei unverzichtbare Instrumente der hochschulischen Gleichstellungspolitik. In diesen beiden Grundsätzen der Homepage des Gleichstellungsbüros steht eigentlich alles drin. Wir im Fachbereich Media versuchen ein Klima zu schaffen, in dem diese Grundsätze ohne wenn und aber gelebt werden.