ScienceWednesday: Ein Hörerlebnis in 3D
3D-Sound wird in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen - doch was ist 3D-Sound überhaupt und wo wird er eingesetzt? Ein Interview mit Jorge Medina.
Ein Beitrag von Miriam Ott
Sonntag, 23. Oktober 2016
Mediencampus der Hochschule Darmstadt
Filme und Computerspiele so erleben, als wäre man mittendrin – was vor einigen Jahren noch ein Wunsch in weiter Ferne war, ist heute dank VR, 3D & Co. ohne weiteres möglich. Gerade im Gaming-Bereich ermöglichen neue Techniken, dass Nutzer noch tiefer in die virtuelle Realität eintauchen können und das Spiel hautnah „fühlen“ können. Gerade hier spielt auch das Thema 3D-Sound eine wichtige Rolle – Jorge Medina, Labormitarbeiter im Studiengang „Sound & Music Production“ und Doktorand, erzählt im Interview, warum. Zusammen mit den beiden Studenten Cédric Fischer und Dominik Zingler berichtete er beim ScienceWednesday von der Forschung, die am Mediencampus zum Thema betrieben wird.
3D-Sound – eine Erweiterung des bekannten Surround 5.1
Miriam Ott: Nicht alle unsere Studenten kennen sich mit Tontechnik aus, daher zunächst eine sehr allgemeine Frage: Was ist 3D-Sound überhaupt und wofür wird er verwendet?
Jorge Medina: Technisch betrachtet ist 3D-Sound, der auch 3D-Audio genannt wird, eine Erweiterung des Surround 5.1 Formats. Zu den horizontalen Hörebenen, die es in allen vorhandenen AudioSystemen schon gab (Stereo, Surround, usw.), kommt eine höhere Ebene dazu, was im Vergleich zu den bisherigen Systemen eine bessere Einhüllung des Zuhörers ergibt und dementsprechend eine realistischere Darstellung von Hörereignissen ermöglicht.
Miriam Ott: Worauf kommt es an, wenn man 3D-Sound erzeugen will? Gibt es bestimmte Systeme, die Sie persönlich empfehlen würden?
Jorge Medina: Um 3D-Audio zu erzeugen, braucht man ein geeignetes Wiedergabesystem, das heißt: mehr Lautsprecher als für andere bekannte Formate, und – abhängig vom System – viel Rechenleistung. Die verschiedenen Formate basieren mehr oder weniger auf unterschiedlichen theoretischen Grundlagen. Seit Jahren wird auf diesem Gebiet Forschung betrieben, die jedoch noch nicht endgültig abgeschlossen ist. Es gibt etablierte Systeme oder Ansätze, die sich über die vermittelten Inhalte unterscheiden. Für reine Musikübertragungen gibt es das Auro-3D-System. Andere 3D-Sound-Formate für Audioquellen im Allgemeinen (Atmos, Filmsound, usw.) sind Spatial/Soundwave und Ambisonics. Diese Systeme kann man nicht im Elektrohandel kaufen, obwohl die Werbung suggeriert, dass 3D-Audio-Systeme schon in Fernsehern oder Audioanlagen integriert sind.
Vor- & Nachteile – 3D-Sound benötigt noch mehr Forschung
Miriam Ott: Welche Einsatzgebiete für 3D-Sound gibt es aktuell schon und welche werden eventuell erst in der Zukunft möglich sein, weil z.B. bestimmte technische Vorsetzungen in der Hardware noch entwickelt werden müssen?
Jorge Medina: Vor allem Games, Filme und Virtual Reality profitieren von 3D-Audio und seinem realistischen Sound. Natürlich wird auch Musik, sowohl aufgenommen als auch als Live-Event, häufiger in diesem Format produziert. Heute sind die technischen Voraussetzungen und Rechenleistungen ausreichend, um sehr gute Ergebnisse zu erzielen. Selbstverständlich gibt es noch viel Raum für Verbesserungen und Entwicklungen, zum Beispiel bei der Echtzeitsimulierung von Audioereignissen oder deren Anpassung an Kopfbewegungen. Da treten noch häufig unerwünschte Effekte auf, die die realistische Darstellung schwieriger machen oder hindern.
Miriam Ott: Was sind die Vorteile von 3D-Sound gegenüber den bekannten Surround- oder Stereo-Systemen und gibt es auch Nachteile?
Jorge Medina: Der Hauptvorteil ist die Erweiterung der vertikalen Hörebenen, wodurch eine bessere Einhüllung und eine dreidimensionale Umgebung erzeugt wird. Nachteilig ist, wie bereits erwähnt, die für realistische Ergebnisse benötigte Anzahl der Lautsprecher.
Miriam Ott: In Ihrem Vortrag haben Sie über einen Versuch mit 40 Testpersonen zum Thema 3D-Sound mit dem System MS-3D berichtet. Können Sie auch für diejenigen, die nicht dabei waren, skizzieren, wie Sie diesen Versuch durchgeführt haben und auf welches Ergebnis Sie hinauswollten?
Jorge Medina: Wir haben mehrere Atmos mit vier verschiedene Mikrophon-Setups aufgenommen, unter anderem mit einem von uns modifizierten Mikrophon-Array. Anschließend haben Probanden (Studierende, Mitarbeiter und Professoren) die verschiedenen Aufnahmen in einem Acht-Lautsprecher-System angehört und anhand von vier verschiedene Kriterien – Lokalisation, Klangfarbe, Räumlichkeit und Breite – beurteilt. Am Ende haben wir eine statistische Auswertung der Ergebnisse durchgeführt. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass drei von den Mikrophon-Arrays weitgehend die gleichen Ergebnisse liefern. Eines dieser Mikrophone-Arrays zeigte sich deutlich als die beste Auswahl. Allerdings waren die verschiedenen Einschätzungen wichtiger als die Ergebnisse in Bezug auf die verschiedenen Mikrofonierungen. Die statistische Auswertung hat gezeigt, dass es bestimmte Präferenzen gibt. Allerdings sieht es so aus, dass auch individuelle Geschmäcker und Vorerfahrungen und nicht allein objektive Kriterien die Entscheidung zur Auswahl eines bestimmten Mikrofon Arrays beeinflussen können.
3D-Sound für zuhause oder gar als Foltermethode – ist das schon möglich?
Miriam Ott: Angenommen, ich habe ein Videospiel oder einen Film, der mit 3D-Sound ausgestattet ist. Brauche ich als Endnutzer dann bestimmte Lautsprecher oder Systeme, dass ich das 3D-Feeling „spüren“ kann oder gibt es solche Vertonungen noch gar nicht?
Jorge Medina: Sogar einfache Kopfhörer können eine 3D Illusion erzeugen. Die Binaural-Technik ist längst da und wird ständig verbessert. Durch die Game-Branche haben solche Formate eine Renaissance erlebt. Für Filme im Kino gibt es auch schon die entsprechenden Lautsprecherkonfigurationen, die eine Vielzahl von Personen erreichen können. Ganz anders sieht es im Heimbereich aus. 3D-Audio erfordert viele Lautsprecher, was zu Hause sehr umständlich oder teilweise auch gar nicht praktikabel sein kann.
Fazit: „3D-Sound wird in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle spielen.“
Miriam Ott: Sehen Sie den 3D-Sound als DIE Revolution in der Vertonung von Filmen, Virtual-Reality-Aufmachungen und Videospielen?
Jorge Medina: Ich sehe darin einen entscheidenden Schritt um realistische Hörerlebnisse zu erzeugen. Darüber hinaus besteht ein breites Forschungs- und künstlerisches Entwicklungspotenzial. 3D-Sound wird auf jeden Fall in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle spielen.
Technisch, künstlerisch & praxisnah – Der Studiengang Sound & Music Production
Der Studiengang Sound & Music Production bietet Studierenden die Möglichkeit, die künstlerischen und technischen Fähigkeiten im Bereich Audio in Einklang zu bringen. Aufnahmevoraussetzung ist die Einreichung einer künstlerisch-technischen Mappe mit anschließender Aufnahmeprüfung. Neben den klassischen Bereichen wie „Musikproduktion“ und „Live Recording“, spielen zunehmend auch Themen wie „Computational Sound“ und „Interactive Audio“ eine übergeordnete Rolle. Darüber hinaus ist von Anfang an die praxisnahe und interdisziplinäre Arbeit Bestandteil der Ausbildung.
Fotos: Steven Wolf