Mystery-Serie made in Darmstadt
Stephan, Christian und Thomas sind die Gründer von "Tag & Nacht Media". Gemeinsam haben sie die Webserie "Anomalie" gedreht, die bald zu sehen ist.
Ein Beitrag von Vanessa Kokoschka
Mittwoch, 4. März 2020
Mediencampus der Hochschule Darmstadt
Vom Studium in die Selbstständigkeit: Diesen Sprung haben Stephan Böhl, Christian Stadach und Thomas Meudt gewagt. Die drei haben zunächst „Digital Media“ studiert und im Anschluss ihren Master in „Media Direction“ gemacht. Mit „Tag & Nacht Media“ haben sie ihre eigene Medienproduktionsfirma gegründet. Zu ihrem regulären Angebot zählen unter anderem Werbe- und Imagefilme, Radiowerbung oder Sounddesign. Nun sind sie ein wenig aus ihrem Arbeitsalltag ausgebrochen und haben eine Serie gedreht. In „Anomalie“ erzählen sie die Geschichte eines jungen Erwachsenen, der seine leiblichen Eltern finden will. Auf der Suche nach seiner Identität stößt er auf ein mysteriöses wissenschaftliches Experiment. Über ihr neues Projekt und den Weg in die Selbstständigkeit spricht Stephan im Interview.
Ihr seid drei Absolventen der Hochschule Darmstadt und habt mit „Tag & Nacht Media“ eure eigene Firma gegründet. Warum habt ihr euch dazu entschlossen euch selbstständig zu machen und nicht für andere Agenturen als Filmemacher zu arbeiten?
Wir haben sowohl im Studium als auch neben dem Studium regelmäßig gemeinsam Projekte umgesetzt. Unser Abschlussprojekt im Master war ein kleines Serienprojekt mit drei Episoden, bei dem wir sehr viel Aufwand betrieben haben. Das haben wir dann aus dem Studium hinaus in die „normale“ Welt getragen. Wir haben noch weiter daran gearbeitet und es ein Jahr später veröffentlicht. Im Zuge dessen haben wir uns direkt selbstständig gemacht, weil wir uns während der Projektphase wohlgefühlt haben: die Eigenverantwortung zu haben, uns selbst zu strukturieren, ein Team aufzustellen und alles so zu organisieren, wie wir gerne arbeiten wollen.
Wenn Du jetzt zurückblickst: Welche drei Tipps würdest Du Studierenden geben, die auch in die Selbständigkeit wollen?
Ich würde mich stärker mit Leuten auseinandersetzen, die einen ähnlichen Weg gegangen sind. Auch kann es hilfreich sein, nebenbei in einer Firma zu arbeiten, um einen Einblick in die Selbstständigkeit zu bekommen. Im besten Fall in einer Agentur, die nicht ganz so groß ist, sodass man auch näher an der Struktur und den Gründern ist. Und was ich jedem empfehlen würde – und was wir auch so gemacht haben – ist, ein Netzwerk aufzubauen. Am besten sollte man versuchen, sich schon während des Studiums möglichst breit aufzustellen und entsprechende Referenzen zu sammeln.
Inwiefern hat euch euer Studiengang darauf vorbereitet, diesen Weg zu gehen?
Wir hatten immer das Gefühl, die Projekte so umsetzen zu können, wie wir sie entwickelt haben. Auch wenn wir Themenvorgaben hatten, war es trotzdem meistens möglich, es auf unsere Art umzusetzen. Das war das Hilfreichste: sozusagen eine Grundlage für die eigene Handschrift und die kreative Identität zu schaffen. Es war nicht so starr und festgelegt, sondern sehr projektbezogen. Und beim Machen lernt man mehr, als wenn Du dir nur etwas anliest.
Eines eurer aktuellsten Projekte ist die Mystery-Serie „Anomalie“, die in Darmstadt spielt. Warum habt ihr euch dazu entschieden, abseits von Werbe- oder Imagefilmen, auf eigene Faust eine Serie zu drehen?
Obwohl unser Tagesgeschäft viel im Kundenauftragsbereich liegt, ist es uns wichtig, an dieser erzählerischen Ebene dranzubleiben. Also auch eigene Geschichten zu entwickeln und umzusetzen. Das hat uns damals den Anstoß gegeben, überhaupt in die Selbstständigkeit zu gehen. Wir versuchen immer, sehr erzählerisch zu sein und wir wollten ein neues Projekt starten, in einem Umfang, der für uns „händelbar“ ist. Letztlich ist es viel größer geworden als wir ursprünglich dachten. Wir haben uns entschieden, das Projekt so umzusetzen, wie wir uns das vorstellen – ohne Zugeständnisse machen zu müssen. Wir haben daraus eine absolute Referenz für uns geschaffen. Und so konnten wir auf allen Ebenen einen ganz anderen Beweis antreten. Für uns allein sind wir – unabhängig davon, was mit der Serie passiert – ein großes Stück gewachsen.
Ihr macht alles in Eigenregie. Wie seid ihr denn auf den Inhalt eurer Story gekommen?
Der Ausgangspunkt für uns war, dass wir gerne etwas produzieren wollten, das vor unserer eigenen Haustür stattfindet. Da der wissenschaftliche Faktor in Darmstadt eine Rolle spielt, wollten wir große Firmen und Institute einweben. Und gleichzeitig wollten wir die eigene Sinnsuche widerspiegeln: also Überlegungen wie „Was fange ich mit meinem Leben an?“ oder „Wie will ich mich selbst verwirklichen?“. All diese Themen, die Jugendliche und junge Erwachsene umtreiben, sollten da einfließen. Und so kamen wir auf die Mischung aus einer „Coming of Age“- Geschichte: Diesem jungen Typen, der nach Orientierung sucht und wissen will, was mit seinen Eltern passiert ist. Und das haben wir weiterentwickelt in eine mysteriöse Geschichte, die sich auf ein wissenschaftliches Experiment beruft. Im Prinzip ist es eine Zusammenführung aus Dingen, die uns gedanklich umtreiben.
Eure Serie wird auf internationalen Festivals gefeiert, zum Beispiel in Neuseeland, New York, Seoul oder Buenos Aires. Wie sehr freut es euch, dass „Anomalie“ so gut ankommt? Wie erlebt ihr die positiven Reaktionen?
Es ist abgefahren, weil Du aus der ganzen Welt Rückmeldungen bekommst. Das ist natürlich etwas anderes, als wenn Du es nur in der Region zeigen könntest. Das ist für uns eine Bestätigung, dass es bei einem internationalen Publikum mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Situationen, mit anderer Sprache und anderem Länderhintergrund so gut funktioniert und es einen Zugang zu der Story hat. Wir stehen kurz vor der Finalisierung der Staffel und waren parallel mit den ersten Episoden auf Festivals unterwegs. Das ist ein riesiger Motivator: Wir haben das Ganze zusätzlich zu unserem Agenturalltag gemacht. Die Welt wird dadurch für einen kurzen Augenblick sehr klein, sehr innig und sehr positiv.
Welche Rolle werden Webserien in eurem Unternehmen spielen? Baut ihr den Bereich aus?
Das würden wir sehr gerne machen. Wenn es uns möglich wäre, würden wir das gerne zu einem wirtschaftlichen Standbein ausbauen. Aktuell ist es so, dass wir das ganze Projekt aus uns selbst herausgestampft und selbst finanziert haben. Wir wollen weiterhin für unsere Kunden da sein, aber eben auch einen Fokus auf Serien setzen und wirtschaftlich in der Lage sein, um sich dafür Zeit zu nehmen, Projekte zu entwickeln und Geld zu investieren. Das ist auf jeden Fall unser Ziel und daran arbeiten wir.
Noch gibt es für „Anomalie“ kein Veröffentlichungsdatum – die Serie läuft derzeit exklusiv auf Festivals. Das ändert sich am 25. April: In der Centralstation in Darmstadt wird die gesamte Staffel gezeigt. Ein Großteil der Crew und Schauspieler wird auch da sein. Los geht’s um 18 Uhr. Wer Interesse hat, muss schnell sein: Die Hälfte der Tickets ist schon weg.