Google Glass: Hände frei, Blick aufs Detail
Thomas Hoger von der Firma „3spin“ berichtet über sein Goolge Glass-Forschungsprojekt mit Lego und Lufthansa beim letzten Media Monday.
Ein Beitrag von Sonja Nowack
Freitag, 14. November 2014
Mediencampus der Hochschule Darmstadt
Wer schon immer mal ausprobieren wollte, wie Google Glass funktioniert, der war am ersten Media Monday in diesem Semester genau richtig. Nachdem Thomas Hoger von der Firma „3spin“ sein aktuelles Forschungsprojekt mit den Unternehmen Lego und Lufthansa vorgestellt hatte, durften die technischen Geräte von den zahlreichen Zuhörern fleißig getestet werden. Google Glass und Oculus Rift – zwei Namen, die wohl den meisten Zuhörern am Montagabend bekannt waren. Google Glass ist ein Miniaturcomputer, der auf einem Brillenrahmen montiert ist und Informationen in das Sichtfeld des Brillenträgers einblendet. Diese Informationen können kombiniert werden mit dem aufgenommenen Bild, das eine in Blickrichtung des Trägers integrierte Digitalkamera live liefert. Die Oculus Rift ist eine Brille, die virtuelle Rundgänge auf kleinstem Raum ermöglicht und den Träger somit virtuell in eine „andere Welt“ katapultiert. Schon heute bieten beide Technologien faszinierende Möglichkeiten für Firmen. Das Gestalten von effizienteren Arbeitsabläufen oder erhöhte Sicherheitsstandards können durch Google Glass erleichtert werden. Mit diesen und weiteren Möglichkeiten hat sich das Team der Darmstädter Software-und-Design-Firma – „3spin“ – auseinandergesetzt. Referent Thomas Hoger, Berater für digitale Produkte bei „3spin“, präsentierte, welche weiteren technischen Möglichkeiten es gibt und in welchen Branchen man diese anwenden könnte.
Viele Anwendungsgebiete für Google Glass
Momentan forscht die Firma „3spin“, die sich im Übrigen vor mehreren Jahren aus dem Fachbereich Media gegründet hatte, unter anderem mit den Unternehmen Lego und Lufthansa. Gemeinsam wollen sie herausfinden, wie durch den Einsatz von diesen Technologien die Sicherheit erhöht und Kosten reduziert werden können. „Google Glass ist ein spannendes Stück Technologie“, so Thomas Hoger, der den Vortrag hielt. Anwendungsbereiche im privaten Bereich gebe es viele: Radfahrer, die zur Orientierung nicht mehr nach unten auf ein Navigationssystem sehen müssten und somit nicht mehr beim Fahren abgelenkt wären. Oder man könnte eine Einkaufsliste auf Google Glass schicken. Dann hätte man beim Einkaufen beide Hände frei und müsste nicht mit einer Hand die Einkaufsliste festhalten und mit der anderen nach den Produkten greifen. Das Motto von Google Glass: Hände frei, gleichzeitig Blick aufs Detail.
Lego-Modelle bauen mit Google Glass
„Besonders sinnvoll ist Google Glass dort, wo man die Hände frei haben und gleichzeitig Arbeitsschritte ablesen und gegebenenfalls dokumentieren muss, wie etwa bei Montage, Wartung oder beim Training von Angestellten“ stellte Thomas Hoger fest. Bauanleitungen von Lego lassen sich nicht nur in einzelne Schritte unterteilen, sondern auch gut auf einem Bildschirm darstellen, wie die von „3spin“ entwickelte App für Google Glass zeigt. Getestet wurde die App unter anderem bereits im Lego Store in Frankfurt. „Dass Erwachsene das Ganze spaßig finden, hat mich weniger überrascht. Das haben wir ja schon an uns selber bei der Entwicklung gesehen. Interessanter waren die Reaktionen vor allem von den Kindern. Die hatten riesigen Spaß daran und haben sehr schnell verstanden, was sie tun müssen. Das war schon sehr witzig“, erzählte Thomas Hoger.
1 Milliarde Dollar Einsparungen möglich
Das IT-Marktforschungs-Unternehmen „Gartner“ schätzt, dass für Firmen in Amerika durch den Einsatz von Smart Glasses in drei bis fünf Jahren bis zu 1 Milliarde Dollar Einsparungen möglich sind. Dies wird zum Beispiel möglich, indem die Einarbeitung von neuen Mitarbeitern durch Brillen wie Google Glass übernommen werden kann und diese Kosten dadurch reduziert werden können. Außerdem wird geschätzt, dass in den nächsten 10 Jahren etwa 10 Prozent der relevanten Unternehmen Smart Glasses einsetzen werden (momentan: ca. 1 Prozent). Auch die Lufthansa ist an dieser Technologie interessiert. Mögliche Einsatzgebiete sind beispielsweise bei der Instandhaltung, bei medizinischen Vorfällen oder im Catering, wie Thomas Hoger in seinem Vortrag ausführte. Im Wartungsbereich könnte man beispielsweise einen Video-Chat mit einem Experten führen, der durch die Kamera in Google Glass alles sieht, was der Wartungsmitarbeiter sieht. So können Fernwartungen effizienter und schneller durchgeführt werden. „Es ist für die Unternehmen von Vorteil, bereits heute in die Forschung zu investieren, denn dass Smartwear wie Google Glass die Zukunft ist, da bin ich mir sicher“, so Thomas Hoger.
Hilfe bei medizinischen Notfällen
Der persönliche Favorit von Thomas Hoger ist der Einsatz bei medizinischen Notfällen in Flugzeugen. Jeden Tag gibt es weltweit 350 ernsthafte Erkrankungen an Bord und jährlich deswegen 50 Zwischenstopps allein bei der Lufthansa. „Indem man Google Glass für Telemedizin einsetzt, kann Patienten möglicherweise nicht nur schneller geholfen werden, sondern es können auch Kosten für Zwischenstopps gespart werden“, erläuterte Thomas Hoger. Aber nicht nur das ist es, was ihn antreibt. „Der Einsatz von Google Glass bei medizinischen Notfällen ist der sozialste aller Anwendungsfälle. Es geht nicht nur um Effizienz oder Kostenoptimierung, sondern darum, die Welt ein Stückchen besser zu machen.“
Oculus Rift: Menschen virtuell an Orte bringen
Auch bei der Simulationsbrille Oculus Rift hat sich einiges getan in der Entwicklung. Mittlerweile gibt es das so genannte „Development Kit 2“, bei dem das alte Problem der Übelkeit durch das Positional Tracking auf ein Minimum reduziert wurde. Während Oculus im Konsumenten-Bereich den Fokus zuerst im Bereich PC-Spiele hatte, so kann sich Thomas Hoger auch andere Anwendungen vorstellen. „Im Tourismus-Bereich können Menschen virtuell an den jeweiligen Ort gebracht werden. Das ist viel anschaulicher als durch das Ansehen der Urlaubsorte durch Fotos im Internet“, sagte Thomas Hoger, „Eine große Herausforderung ist die elegante Steuerung innerhalb der virtuellen Welt, ohne Maus und Tastatur.“ Für viele Lacher im Hörsaal sorgte Thomas Hogers Erzählung von einer Art Hühner-Simulator, bei dem sich der Spieler in die Lage eines Huhns versetzt und durch das Senken des Kopfes virtuell Körner picken kann.
Teure Geräte
In der anschließenden Fragerunde wurde Thomas Hoger von seiner Kollegin Christine Coenen unterstützt. Es konnte geklärt werden, dass der momentane Speicherplatz von Google Glass bei 12 GB liegt, der Arbeitsspeicher (RAM) bei 2 GB und dass mit dem Akku Videoaufnahmen von mindestens zwei Stunden möglich sind. Auch die Frage nach den Preisen für die Geräte konnte beantwortet werden. „Oculus Rift kostet momentan etwa 350 Dollar, Google Glass ist in Deutschland noch nicht frei verfügbar, in den USA muss man mit Kosten von etwa 1.500 Dollar rechnen“, so Thomas Hoger. Auch die möglichen Sicherheitsrisiken wurden angesprochen. „Ich bin mir sicher, dass Google alles dafür tun wird, dass es nicht gehackt wird. Die besondere Problematik liegt aber darin, dass Smartphones und Laptops, die ja auch schon gehackt werden können, die meiste Zeit in der Tasche liegen – im Gegensatz dazu wird Google Glass mit der Kamera die ganze Zeit offen getragen.“ Für Thomas Hoger wäre eine deaktivierbare Kamera bei Google Glass sinnvoll, ob das allerdings umgesetzt werden kann, ist fraglich. „Es gibt eine soziale Verantwortung, die damit einhergeht. Es wird Leute geben – und die haben meinen vollen Respekt – die sich darum kümmern, damit diese Geräte sicherer sind und das ist wichtig.“
Media Monday erstmals jede Woche
Den Media Monday gibt es bereits seit acht Jahren, jedoch fand er zum ersten Mal im großen Hörsaal unter der Aula statt. „Wenn ich mir die vielen Zuschauer hier so anschaue, dann bin ich überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war, dass wir nicht im Campuskino sind “, so Alexander Kehry, Leiter des Media Mondays. Da der Media Monday ein Elective ist, wechselt das Team jedes Semester. „Dieses Mal sind wir sehr international aufgestellt. Wir haben vier Erasmus-Studenten“, erzählte Alexander Kehry. Geschaffen wurde der Media Monday, um die Möglichkeit zu geben, das übergreifende Fach Medien zu begreifen und: „Um zu sehen, dass man nicht nur Video studieren muss, und sich nur mit Video beschäftigt, sondern sich dann auch mit Sound und interaktiven Medien auseinandersetzen muss“, erklärte Alexander Kehry. Wichtig sei der gemeinsame Austausch über Projekte und das Knüpfen von Kontakten zur Wirtschaft. In diesem Semester wird es erstmalig zum Teil Doppel-Media-Mondays geben, an denen gleich zwei Themen im Anschluss aufgegriffen und zur Diskussion gestellt werden. Die Studierenden können sich außerdem über mehr Inhalte freuen – denn in diesem Semester gibt es den Media Monday jede Woche.
Das Programm für die nächsten Media Mondays gibt es hier.