ScienceWednesday: Greenwashing, ein Phänomen im Auge des Betrachters
Was ist Greenwashing? Diese Frage beantwortete Gastwissenschaftlerin Dr. Lucia Gatti mit aufschlussreichen Einblicken in ihr Forschungsgebiet.
Ein Beitrag von Jannik Bork, Christoph Rüppel
Samstag, 23. April 2016
Mediencampus der Hochschule Darmstadt
Der ScienceWednesday geht in eine neue Runde. So warten das ganze Sommersemester vom ikum organisierte Vorträge über aktuelle Forschungsthemen auf wissbegierige Zuhörer. Den Anfang machte die Gastwissenschaftlerin Dr. Lucia Gatti am vergangenen Mittwoch, dem 20. April 2016, mit einer Präsentation ihres Forschungsprojekts „What is Greenwashing?“. Dr. Lucia Gatti von der Università ella Svizzera italiana ist momentan für zwei Monate zu Gast an der Hochschule Darmstadt, um über das Projekt zu berichten, das sie gemeinsam mit ihren Forschungspartnern Prof. Dr. Peter Seele und Prof. Dr. Lars Rademacher durchführt.
Über die letzten Dekaden wurde eine steigende Anzahl von Organisationen mit dem Vorwurf des Greenwashings belastet. Die umstrittene PR-Methode wird von Unternehmen genutzt, um sich mit einem umweltbewussten und verantwortungsvollen Image zu schmücken, obwohl dies nicht der Wahrheit entspricht. Die tatsächlichen Aktivitäten stehen stattdessen im Widerspruch zum grünen Deckmantel.
Der Begriff des Greenwashings wurde 1986 von Jay Westerveld geprägt und gewann über die letzten Jahre signifikant an Bedeutung. Es sei jedoch immer noch nicht weitläufig bekannt, was Greenwashing genau repräsentiere. Gatti legte drei verschiedene wissenschaftliche Definitionen dar, um die Komplexität zu Beginn des Vortrags zu verdeutlichen. Insgesamt lassen sich bis zu 49 unterschiedliche Definitionen zählen. Die in der Literatur diskutierten Definitionen teilen die Annahme, dass Greenwashing die Diskrepanz zwischen den kommunizierten und den durchgeführten Aktionen beschreibt.
„It’s a matter of perception.“
Die Forschungsgruppe um Gatti vertritt die Meinung, dass Greenwashing nicht ausschließlich aus der beschönigenden Kommunikation resultiert, sondern vielmehr im Auge des Betrachters liegt. Demnach sei der entscheidende Faktor, wie die Öffentlichkeit die Botschaft aufnehme. Greenwashing setze sich aus zwei wesentlichen Elementen zusammen: der Kommunikation falsch ausgeübter Unternehmerischer Gesellschaftsverantwortung (CSR) und der daraufhin entstandene Vorwurf durch die Stakeholder. Die Schnittmenge aus beidem mache Greenwashing erst möglich.
„No accusation, no Greenwashing.“
Gibt es keinen durch die Stakeholder formulierten Vorwurf, so sei de facto kein Greenwashing möglich. Im Sinne von: Die Öffentlichkeit muss zuerst über das Thema diskutieren, denn es bedarf eines Publikums. Zur Veranschaulichung veröffentlichten Seele und Gatti folgende Definition: „Greenwashing is a co-creation of an external accusation toward an organization with regard to presenting a misleading green message.“ Unternehmen nutzen gezielt Corporate Greenwashing Strategies, um Slogans, Zertifikate, Werbung und vieles weitere ins positive Licht zu stellen. Dabei werden Labels und sonstige Aufdrucke zu Unrecht verwendet oder sogar gefälscht.
In der öffentlichen Wahrnehmung werde das Thema Greenwashing immer populärer, weil die Untersuchungen zunehmen. Präventive PR-Maßnahmen ohne konkrete Anklage werden nicht als Greenwashing bezeichnet. Die Wortmeldung „Es muss also Dreck geworfen werden, dann muss man nachträglich säubern?“ scheint die aufgestellte These passend zu veranschaulichen.
Seele und Gatti planen, in einem kommenden Forschungsprojekt zu untersuchen, welche Auswirkungen Anschuldigungen durch Dritte auf Stakeholder sowie das daraus resultierende Greenwashing eines Unternehmens haben.