ScienceWednesday: Baustelle öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer widmet sich den Problemen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und zeigt Verbesserungsvorschläge auf.
Ein Beitrag von Jannik Bork, Christoph Rüppel
Sonntag, 12. Juni 2016
Mediencampus der Hochschule Darmstadt
Die rasante Entwicklung des Internets resultiert in stetig neuen Rahmenbedingungen für die Vielzahl an Medien. Ein wandelndes Nutzungsverhalten der Rezipienten ist die Folge. Vor allem der bezahlte Journalismus hat mit fehlender Glaubwürdigkeit und Legitimation zu kämpfen. Eine große Baustelle sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Wie diese Krise zu bewältigen sei und welche Chancen ein Neuanfang mit sich bringe, erklärte Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer am 01.06. in seinem Vortrag beim ScienceWednesday.
Lorenz-Meyer, seines Zeichens promovierter Kognitionswissenschaftler und Professor für Online-Journalismus, untersuchte im Rahmen seines Forschungssemesters 2015 die Krise der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Dem Publikum präsentierte er zu Beginn die Rahmenbedingungen des Mediums durch die deutsche Verfassung. Im fünften Artikel des Grundgesetzes wird auf die Rundfunkfreiheit verwiesen. Dabei dient der Rundfunk als garantiertes Medium mit dem Ziel, die freie Meinungsbildung zu fördern. Durch die Programmfreiheit ist eine Vielzahl an diversen Perspektiven gewährt, die weder von wirtschaftlichem noch politischem Druck geprägt sein dürfen.
Sechs Baustellen im Rundfunk
Nach der Einleitung folgten die sechs Baustellen, die Lorenz-Meyer erforschte. Die erste trug den Namen „Innovationsverständnis“. Dabei bestehe die Medienwelt aus drei großen Säulen: Radio, Fernsehen und die neueste, das Internet. Da im klassischen Verständnis eine Trimedialität vorherrschend sei, machte er den Vorschlag einer integrierten Vision, bei welcher der lineare Rundfunk durch eine Transmedialität abgelöst wird – eine Präsenz auf allen Kanälen mit verknüpfenden Schnittstellen.
Auch bei den jungen Zielgruppen lasse sich eine Baustelle erkennen. So liege der Fokus auf dem Jugendangebot des ARD und ZDF, das ab Oktober online zur Verfügung stehe. Die großen Schwächen liegen nach Lorenz-Meyer jedoch bei der Beschränkung auf ein reines Videoangebot, der mangelnden Integration bereits etablierter Jugendkanäle und der Unterfinanzierung.
Paradebeispiel sei der Visionär Jan Böhmermann, der nach dem Prinzip „Online first“ seine Zielgruppe anspricht. So ist seine Sendung immer zwei Stunden vor der Fernsehausstrahlung in der ZDF-Mediathek verfügbar. Weiter nutze er die Transmedialität geschickt, indem er sein Videomagazin über viele Kanäle ausbreitet und dabei auf den wichtigsten sozialen Netzwerken vertreten ist.
Lizenzen seien ebenfalls als Baustelle zu betrachten: Eine dauerhafte Zugänglichkeit der Inhalte stünde konträr zur Vielfalt in den linearen Programmen sowie einer fairen Bezahlung der Produzenten. Eine Balance sei das Optimum. In der Praxis gilt diese Problematik nach Lorenz-Meyer jedoch als Trilemma.
Der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – die Grundversorgung der Bevölkerung mit Information, Bildung, Unterhaltung und Beratung – werde nicht mehr zeitgemäß ausgeführt. Lorenz-Meyer schlägt vor, entweder den Fokus auf Information und Bildung zu legen und die Unterhaltung mit einem Vielfalts- und Nachwuchsschwerpunkt zu versehen oder das mediale Angebot generell zu erweitern. Vorschläge für letzteres seien Suchmaschinen oder kuratierende Maßnahmen sowie die Ermächtigung zur Teilhabe in sozialen Netzen. Auch medienpädagogische Ansätze seien wünschenswert, um diese Baustelle zu beheben.
Die Einschaltquote als falscher Indikator
Darüber hinaus gehörten die Erfolgsgrößen einer Rundumkur unterzogen, so begründete Lorenz-Meyer die letzte von ihm genannte Baustelle. Die bisherige Währung Quote – meist im Zusammenspiel mit der Qualität und Unterscheidbarkeit eines Medienproduktes – sei nicht zukunftsweisend. Vielmehr sollten deren Werte für Demokratie, Kultur, Bildung, Gesellschaft und Internationalität gemessen und gefördert werden. Impact und Reichweite seien in der veränderten Medienlandschaft wesentlich relevanter als die bloße Einschaltquote. Weiter meint Lorenz-Meyer, dass die Rundfunkräte als Gremien einige Probleme mit sich bringen. So strahlten sie mangelnde Transparenz aus und verfügten über eine kritische Staatsnähe, was ihre demokratische Freiheit in Frage stelle. Des Weiteren fehlten finanzielle Mittel, woraus eine gefährliche Intendanzhörigkeit resultiere.
Einige problematische Aspekte wie beispielsweise der erwähnte Transparenzmangel seien bereits im Umbruch begriffen. Innovationshemmnisse wie der in Deutschland vorherrschende Föderalismus sowie die fehlende öffentliche Debatte schränkten den Wandel im öffentlich-rechtlichen Rundfunk leider weiterhin erheblich ein. Es sei wichtig, einen gesellschaftlichen Diskurs über die Problematiken zu entzünden und damit für einen reflektierten Umgang mit der Thematik zu sorgen.