MediaMonday: Krisen im Netz und wie man den Überblick behält
Stefanie Aßmann weiß, wie Krisensituationen im Netz erkannt und Shitstorms verhindert werden können – ohne dabei die Kontrolle zu verlieren.
Ein Beitrag von Christoph Rüppel
Montag, 30. Mai 2016
Mediencampus der Hochschule Darmstadt
Shitstorms eskalieren schnell – und meist unerwartet. Nutellas Palmöl-Skandal wurde von Multiplikatoren aufgegriffen und verbreitet, was zur Folge hatte, dass das Thema innerhalb kürzester Zeit stark an gesellschaftlicher Relevanz gewann. Und dabei handelt es sich nur um ein Beispiel von vielen. Um eine kritische Situation im Netz effektiv zu lösen oder gar nicht erst zustande kommen zu lassen, muss das Potenzial erst einmal erkannt werden. Jedes Unternehmen beurteilt individuell, ab wann eine Situation als Krise eingestuft wird. Auffällig ist, dass sich ähnliche Sachlagen oftmals in völlig unterschiedliche Richtungen entwickeln.
So generierten Kundenbeschwerden auf den Facebook-Seiten der Deutschen Bahn und von Edeka relativ wenig Aufmerksamkeit, während das Video einer Raupe im Salat bei Vapiano virale Wellen im Social Web schlug. Selbst Jahre nach dem eigentlichen Skandal verbreitete sich das Video erneut im Netz, nachdem es von reichweitenstarken Multiplikatoren aus dem YouTuber-Kosmos geteilt wurde.
Hashtags bergen Shitstorm-Potenzial
Auch bei Twitter lassen sich des Öfteren Shitstorms beobachten. So ging der Hashtag #myNYPD der New Yorker Polizei nach hinten los: Die ursprüngliche Idee war, dass Nutzer Fotos von sich mit Polizeibeamten hochladen und diese mit dem Hashtag kennzeichnen. Nachdem einige Polizisten durch unangebrachte Handlungen auffällig wurden, wurde der Hashtag missbräuchlich für Fotos verwendet, die gewalttätige Auseinandersetzungen der Polizeibeamten zeigten.
Missbräuchlich verwendete Hashtags sind die eine Seite, neugeschöpfte die andere: Während bei ersterem ein präventives Social-Media-Monitoring gefährliche Trends erkennen und einen Shitstorm im Keim ersticken kann, ist bei plötzlich auftretenden Hashtags oft nur Schadensbegrenzung im Nachhinein möglich.
Krisenkommunikation zur Wiederherstellung der Reputation
Als aktuelles Beispiel nannte Aßmann den von Jan Böhmermann initiierten Hashtag #verafake. Böhmermanns Team des „Neo Magazin Royale“ schleuste in die von RTL ausgestrahlte Sendung „Schwiegertochter gesucht“ einen Fake-Kandidaten ein, um den Umgang der Produktionsfirma mit Teilnehmern des Dating-Formats offenzulegen. Das Problematische für RTL: Den Hashtag gab es einen Tag vor dem Hype noch nicht und hätte im Rahmen eines Online Monitorings nicht aufgespürt werden können. Erwähnenwert ist, dass sich RTL im Rahmen der Krisenkommunikation ebendiesen Hashtag zunutze machte und seine Tweets damit verlinkte. Die in den Sozialen Medien generierte Aufmerksamkeit hatte dennoch gravierende Folgen für die ausführende Produktionsfirma.
Als Paradebeispiel für eine gelungene Krisenkommunikation gilt übrigens Burger King: Als das Unternehmen aufgrund eines Hygiene-Skandals bei einem seiner Franchisenehmer in die Kritik geriet, sprach der Geschäftsführer die Problematik vor laufender Kamera offen an und erläuterte die Konsequenzen der Konzernleitung. So gab er der Marke ein Gesicht und machte sie weniger angreifbar.
Online Monitoring als präventive Maßnahme
Aßmann führte einige Grundregeln im Umgang mit Kritik auf. So sei es sinnvoll, auf kritische Stimmen nicht vorschnell zu reagieren. Des Weiteren solle Kritik nie persönlich genommen werden, sondern vielmehr kooperativ darauf eingegangen und Gründe geliefert werden. Ein vorsorglich erstellter Eskalationsplan hält im Bedarfsfall die richtigen Ansprechpartner bereit.
Damit es gar nicht erst soweit kommt, sei es ratsam, Tools wie Talkwalker oder Brandwatch für ein permanentes Online Monitoring zu verwenden. Facebook-Schnittstellen erlauben eine minütliche Versorgung mit Daten und garantieren ein ganzheitliches Stimmungsbild. Falls es in den Sozialen Medien doch einmal zum Kontrollverlust kommen sollte, hätte dies keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Suchmaschinen, so Aßmann. Beiträge, die auf Facebook gepostet werden, werden durch Googles Algorithmus nicht erfasst. Jedoch sei die Analyse nach dem Shitstorm genauso wichtig wie die Kommunikation währenddessen, um die Ursachen zu ergründen und die Prävention von Krisen zu verbessern.