„Lust, Liebe und Abenteuer wagen“
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Dienstag, 11. Juni 2013
Mediencampus der Hochschule Darmstadt
Uli Blumenthal, Redaktionsleiter und Moderator von „Forschung Aktuell“ beim Deutschlandfunk, erzählt Studierenden am Mediencampus Dieburg von seiner Arbeit.
Mucksmäuschenstill war es, als Uli Blumenthal seinen Vortrag zur Wissenschaftsberichterstattung begann. Und bei dieser Stille blieb es für die nächsten zwei Stunden. Gebannt lauschten die Studierenden des Studiengangs Wissenschaftsjournalismus den Worten des Experten aus der Praxis. Unter dem Thema „Ganz Ohr: Wissenschaftsberichterstattung im Deutschlandfunk. Themen, Strukturen, Autoren“ gab der Moderator von „Forschung Aktuell“ Einblick in die tägliche Redaktionsarbeit einer Wissenschaftsredaktion.
Der Deutschlandfunk hat täglich 1,6 Millionen Hörer, das Flaggschiff für das Themengebiet Wissenschaft ist die 25-minütige Sendung „Forschung aktuell“, die von Montag bis Freitagausgestrahlt wird. Die Redaktion besteht aus drei festen Redakteuren, vier freien Moderatoren, sechs fest-freien Autoren für Meldungen und 20-30 freien Autoren. Alle zwei Jahre wird auch ein Wissenschaftsvolontariat ausgeschrieben. „Wir sind ein relativ kleines Team mit klaren Strukturen, kurzen Wegen und schnellen Absprachen“, so Blumenthal, der auch noch stellvertretender Abteilungsleiter für „Wissenschaft und Bildung“ ist.Die Redakteure Christiane Knoll und Uli Blumenthal wurden vom Medium-Magazin unter die Top 3 der Wissenschaftsjournalisten 2012 gewählt. Begründet wurde das Urteil damit, dass die beiden ausgezeichneten Redakteure bei „Forschung aktuell“ die „Brücke zwischen Labor und Supercomputer einerseits und dem Hörer andererseits“ schlagen. Zudem beherrschten sie die Kunst, „Grundlagenforschung ebenso wie angewandte Wissenschaften auch einem Laienpublikum packend und anschaulich zu vermitteln.“
Der Anspruch von „Forschung aktuell“ sei es, tagesaktuell, journalistisch, inhaltlich korrekt, sachlich ausgewogen, kritisch und analytisch, radiophon und hintergründig über Themen aus Naturwissenschaft und Technik zu berichten, so Blumenthal. Um zu veranschaulichen, was das Team um Blumenthal leistet, präsentierte er Statistiken über die Anzahl der Beiträge und Sendungen, die pro Jahr produziert werden. Er erläuterte außerdem, dass alle Autoren Akademiker mit entsprechenden Abschlüssen in wissenschaftlichen Fächern seien und führte dies als Grund für die qualitativ hochwertigen Beiträge an.
Gesprochen wurde auch über Honorarzahlungen und die allgemeine Situation in der Branche. Deutlich wurde dabei, dass der Deutschlandfunk-Moderator die Situation für Wissenschaftsjournalisten positiv sieht. „Ich glaube daran, dass man als freier Wissenschaftsjournalist gut überleben und leben kann, auch wenn sich die Bedingungen geändert haben“, ermutigte Uli Blumenthal die Anwesenden. Als Wissenschaftsjournalist müsse man Lust, Liebe und Abenteuer wagen. Die Arbeit beim Deutschlandfunk machte er dem Nachwuchs schmackhaft, als er versprach: „Wir versuchen, als Team zu arbeiten. Wir kümmern uns um Sie, um Ihre soziale Absicherung und bauen Sie auf. Lassen Sie sich auf uns ein und wir lassen uns auf Sie ein.“
Dass es in der Branche mehr Journalisten bräuchte, die Ahnung von Statistik haben, stellte Blumenthal ebenso fest, und sogleich kam aus dem Publikum der kecke Einwurf „…dafür gibt’s unser Studium!“, woraufhin Blumenthal mit einer Einladung reagierte: „Gerne! Rennen Sie uns die Bude ein! Ich suche Leute, die Statistiken können – und das schnell und witzig umsetzen können.“ Dies sei eine riesige Marktlücke.
Einen interessanten Einblick in seine tägliche Arbeit gewährte der Referent den Wissenschaftsjournalisten, als er ihnen den Planungskalender für „Forschung aktuell“ zeigte und erklärte, wie die Abstimmungsprozesse im Deutschlandfunk geregelt sind. Bei etwa 4.500 E-Mails im Postfach pro Monat sei es wichtig, den Überblick zu behalten und auszusortieren. Um die richtige Auswahl geht es auch bei Geschäftsreisen. Es sei schwerer geworden, die Konferenzen zu finden, die wirklich spannende Themen anbieten. Bei der Menge an jährlich stattfindenden Tagungen sei es fast gar nicht mehr möglich, jede zu besuchen. „Oft sind die kleineren die innovativen Konferenzen, bei denen wirklich neue Ideen vorgestellt werden“, bemerkte der Deutschlandfunk-Moderator.
Und was würde der Profi selbst gerne einmal verwirklichen? „Ich würde liebend gerne mal einen Beitrag machen über Forschungsprojekte, die nicht geklappt haben. Aber nicht, um das Scheitern an sich herauszustellen, sondern um zu analysieren, warum die Wissenschaftler gescheitert sind und um zu sehen, was stattdessen aus der ursprünglichen Idee geworden ist.“ Forschung produziere ja nicht nur Ergebnisse, sondern es gehe vor allem auch um die Prozesse, die dorthin führten.
In eine ähnliche Richtung geht auch das Projekt „Tolle Idee! – Was wurde daraus?“, in der sich eine Sendereihe des Deutschlandfunks damit beschäftigt, was aus in der Vergangenheit vorgestellten Ideen geworden ist. „Es ist auch eine Aufgabe des Journalismus, nachzufragen, dranzubleiben und zu recherchieren“, so Blumenthal.
Auch auf die Konkurrenz kam er zu sprechen. „Leonardo“ beispielsweise, eine Sendung des WDR 5, sei laut Blumenthal eher serviceorientiert und habe buntere Themen. Zudem gibt Uli Blumenthal schmunzelnd zu: „’Leonardo‘ hat eine Stunde Sendezeit, da bin ich ultraneidisch darauf. Eine halbe Stunde mehr Zeit hätte ich auch gerne!“
Sonja Nowack