Ink of Yam: Produzent Tom Fröhlich feiert grandiosen Filmerfolg
Tom Fröhlich hat Digital Media / Motion Pictures studiert. Im Interview erzählt er von den Dreharbeiten und gibt Tipps an Nachwuchsfilmer.
Ein Beitrag von Vanessa Kokoschka
Montag, 13. Mai 2019
Mediencampus der Hochschule Darmstadt
„Ink of Yam“ – so heißt der Film, den Tom Fröhlich zum Abschluss seines Studiums gedreht hat und der zu einem großen Erfolg wurde und mittlerweile in vielen Kinos läuft. Der Drehort ist das Tattoo-Studio BIZZART in Jerusalem, die Hauptprotagonisten sind die beiden Inhaber Poko Haim und Daniel Bulitchev. In ihrem Studio ist jeder willkommen – unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Religion – solange er/sie sich respektvoll verhält.
In „Ink of Yam“ offenbaren sich Juden, Christen, Moslems und Atheisten während ihnen Poko und Daniel die Motive unter die Haut stechen. Auf dem Tätowierstuhl erzählen sie von ihren Ängsten, Wünschen und Hoffnungen. Diese Momente fängt Fröhlich gemeinsam mit seinem Team ein und erzählt aus dem Leben der Protagonisten im konflikt- wie facettenreichem Jerusalem.
Du hast deinen Film „Ink of Yam“ in einem der ältesten Tattoo-Studio Jerusalems gedreht. Wie bist du ausgerechnet auf diesen Ort in dieser Stadt gekommen?
Ich habe während meines Studiums ein Praktikum bei einer Produktionsfirma in Hamburg gemacht. Dort haben wir eine Dokumentation über Ostern gedreht. Diese Dokumentation spielte in Deutschland, zu einem großen Teilen aber auch in Israel. Ich war zwar selbst nicht in Jerusalem, aber saß schließlich im Rohmaterial. Dort habe ich gesehen, dass das Kamerateam eine Gruppe christlicher Pilger getroffen hat. Alle so um die 80 Jahre alt, die von Tätowierern Tattoos bekommen haben. Und diese Tätowierer waren Poko und Daniel. Die haben gar nicht so viel gesagt und nur ein ganz kurzes Interview gegeben, dass sie hier einen Tattooladen haben und dieser alles und jeden hier in Jerusalem verbindet. Ich fand, das war eine steile These und so bin ich auf die Filmidee gekommen.
In deinem Film offenbaren Kunden und Tätowierer ihre Geschichten und erzählen, was sie mit der konfliktreichen Stadt verbindet. Darunter sind Moslems, Christen, Juden und Atheisten. Welche Rolle spielt die Religion auf dem Tätowierstuhl?
Das spielt auf jeden Fall eine große Rolle. Zum Beispiel, weil Tattoos in den Religionen eigentlich verboten sind . In der Tora, dem Koran oder in der Bibel finden sich ziemlich klare Anweisungen, dass Tattoos für jeden, der sich einer dieser Religionen zugehörig fühlt, nicht so richtig gut sind. Da steht irgendwo: „Du sollst dir keine Wunden zufügen“ oder „Du sollst dir keine anderen Zeichen machen.“ Das wird von manchen als klares Tattoo-Verbot aufgefasst. Also: Die Idee, in einer Stadt, in der 99 Prozent der Menschen religiös sind, einen Laden aufzumachen für eine Sache, die bei allen verboten ist… – das ist ungefähr so gut, wie einen Eintracht-Fanshop in Darmstadt zu eröffnen.
Die Religionen schwimmen in diesem Konflikt immer mit. Die sitzen in den Sessions manchmal vier bis sechs Stunden unter richtig starken Schmerzen zusammen im Laden. Dann beginnt irgendwann die Phase, in der sie anfangen, miteinander zu reden. Und in Jerusalem ist der Konflikt der Religionen eben Dauerthema.
Der Nahostkonflikt ist vielschichtig und komplex: Warum hast du dich trotzdem an dieses Thema herangetraut?
Das war für mich nicht abschreckend. Ich fand vor allem den Zugang spannend. Natürlich kann ich mich dem Thema mit einem Geschichtsbuch nähern, das alles abhandelt. Das wollte ich aber nicht. Ich fand es spannend, das Ganze kennenzulernen – an einem Ort, der da eigentlich nicht sein sollte, der ein bisschen skurril ist und mit dem ich persönlich mehr anfangen kann, aber auch meine Zuschauer.
Wie präsent war der Konflikt, als ihr dort gedreht habt?
Wir haben im November 2015 gedreht und da gab es eine Phase mit sehr vielen Messeranschlägen und vielen kleineren Attacken. Aber eben auch Schießereien in Gaza und in der Westbank. Das war das erste Mal, dass es wieder Konflikte gab nach einer längeren Zeit der Entspannung. Den Konflikt merkt man besonders, wenn die Stadt auf einmal menschenleer ist.
Ich war jetzt insgesamt vier oder fünf Mal dort, und weiß inzwischen, dass es deutlich entspanntere Aufenthaltsorte gibt. So viel Polizei, Militär und Waffen auf den Straßen – Ich dachte, das wäre eben normal. Bilder (3): Tom Fröhlich
Wie hast du das Leben und die Leute dort empfunden?
Total positiv. Ich hatte das Gefühl, dass die Leute das Leben in vollen Zügen genießen. Wenn man abends in eine Bar geht, dann ist die immer voll. Nach dem Motto: Wer weiß, wie es morgen ist. Dann lieber heute.
Nochmal zurück zu den Dreharbeiten: In „Ink of Yam“ kommen mehrere Protagonisten zu Wort. War es für euer Team schwierig, die einzelnen „Puzzleteile“ so zusammenzustellen, dass ein roter Faden entsteht?
Das war vor allem eine Aufgabe im Schnitt. Wir haben mit den beiden Tätowierern Türöffner gehabt. Sie haben vor ihren Kunden für uns gebürgt: „Das sind nette Typen aus Deutschland, mit denen könnt ihr quatschen, die sind cool.“ Jeden Abend haben wir dann Poko oder Daniel angerufen und gefragt: Wer ist denn morgen bei euch? Das war dann immer ein totales Glücksspiel. Anders als bei einem Dokumentarfilm, wo du dich zum Recherchegespräch triffst, kamen wir rein, haben kurz „Hallo“ gesagt und haben angefangen zu drehen. Pro Nase hatten wir dann vier bis sechs Stunden Zeit. Das war echt verrückt. Du hast nur sechs Stunden Zeit, mit einem fremden Menschen in ein tiefes Gespräch zu kommen und du musst versuchen, dass alles authentisch bleibt – Das war spannend. Es entstand ein Gespräch zwischen mir, dem Tätowierer und dem Kunden.
Würdest du sagen, dass du an dieser Herausforderung gewachsen bist?
Absolut. Es war eine wahnsinnige Aktion, dorthin zu fahren, spontan die Koffer zu packen und entweder es klappt oder es klappt nicht – Das wird es nie wieder geben. Weil so Film eigentlich nicht funktioniert. Eigentlich gibt es ein Team aus Förderern, Sendern und Redaktionen, mit denen man den Stoff gemeinsam entwickelt. Diese Erfahrung war für mich also total toll. Es gab bestimmt an die 150 Situationen pro Tag, wo wir komplett überfordert waren. Und da wächst man jedes Mal dran, das ist klar.
Mit „Ink of Yam“ hast du einen großen Filmerfolg gefeiert. Hättest du damit gerechnet?
Ich habe damit überhaupt nicht gerechnet. Zumal dann für uns die Zusagen für den Hessischen Filmpreis und die Zusage für die Hofer Filmtage kamen – beides Sachen, die undenkbar waren. Da waren wir total glücklich und zufrieden und dachten, besser kann es echt nicht werden. Dann haben wir eine tolle Festivaltour hingelegt – mit der habe ich auch nicht gerechnet. Und am Ende eben noch der deutsche Kinostart. Das ist dann natürlich der absolute Wahnsinn. Aber so geht die Reise auch immer weiter und hält uns in Kontakt mit Poko und Daniel.
Worauf hat dich dein Studium bei deiner Arbeit besonders gut vorbereitet?
Das Gute in Dieburg ist, man bekommt den Freiraum sich zu entwickeln. Es ist möglich, Experimente zu machen, Filme zu machen und die ersten Male damit auch auf die Nase zu fliegen. Ich habe viel über Dokumentarfilm gelernt. Dabei hatte ich nie das Gefühl, das kommt von oben herab oder passiert frontal, sondern immer in Bezug auf das Projekt. Wir waren dann eine Gruppe von fünf Leuten, die sich dem Dokumentarfilm verschrieben haben. Für uns war das eine Luxussituation. Wir saßen dann am Mittwochabend in dem kleinen Campuskino und haben Dokumentarfilme geguckt und darüber gesprochen. Und das hat mich unheimlich weitergebracht.
Du hast nun schon einige praktische und erfolgreiche Erfahrungen gesammelt. Welchen Tipp gibst du Nachwuchsfilmern, die noch ganz am Anfang stehen?
Das Wichtigste beim Dokumentarfilm ist, aufrichtiges und ehrliches Interesse. Das ist etwas, was dein Gegenüber sofort spürt und wenn das nicht da ist, wird es nie funktionieren. Wenn es aber da ist, entsteht eine Beziehung zueinander. Das bedeutet nicht, dass man miteinander befreundet sein muss, aber dann entstehen eben tolle Momente.