Filmemacher: Vom Mediencampus aus nach den Sternen greifen
Zwei Absolventen des Studiengangs Motion Pictures, Konstantin Korenchuk und Simon Pilarski, wollen hoch hinaus - und sind auf dem besten Weg dorthin.
Ein Beitrag von Miriam Ott
Sonntag, 27. November 2016
Mediencampus der Hochschule Darmstadt
Mit ihrem 2014 produzierten Kurzfilm „Nächstenliebe“ haben die beiden jungen Filmemacher in diesem Jahr den hessischen Filmpreis in der Kategorie „Hochschulfilm“ gewonnen. Das Thema des 22-minütigen Kurzfilms ist kein leichtes: Es geht um Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche. Durch düstere Atmosphären und dunkle Schauplätze sowie durch einen professionellen Schnitt wird Spannung bei den Zuschauern erzeugt, ohne den Akt des Missbrauches wirklich darzustellen. Der Abschlussfilm der zwei Mediencampus-Studenten spielt im Jahr 1889 und handelt von Lukas, einem Müllerssohn, der sich in jungen Jahren einem Pfarrer anvertraut, da ihm sein Vater verbietet, das Dorf zu verlassen. Einige Jahre später macht Lukas sich mit drei Freunden auf den Weg zu einem geheimen Kloster in den Bergen, von dem er durch den Pfarrer erfahren hat. Dass dies ein Ort voller Gefahren ist, merken die vier Gefährten schnell und auch Lukas selbst muss sich einem Dämonen stellen, der ihn bis ins Erwachsenenalter verfolgt.
Was sie mit dem Preisgeld des hessischen Filmpreises vorhaben, warum sie eine eigene Produktionsfirma gegründet haben und an welchen spannenden Projekten die beiden momentan arbeiten, das hat uns Simon Pilarski im Interview verraten.
„Wir haben sehr gerne den Überblick“
Ihr beiden, Konstantin und Simon, wart zuständig für Drehbuch, Regie und Produktion – ist es nicht sehr schwierig, in einem Film so viele verschiedene und anspruchsvolle Rollen zu übernehmen?
Simon: Wir haben das schon bei unserem ersten Film mit 12 Jahren so gemacht. Sicherlich in kleinerem Ausmaße, aber im Grunde genommen haben wir all diese Posten auch schon damals übernommen. Wir beide haben uns das autodidaktisch beigebracht und daher haben wir schon Kurzfilme produziert, bevor wir überhaupt genau wussten, was ein Filmproduzent so alles macht. Wir haben sehr gerne den Überblick über alle Dinge bei der Produktion. Es ist auch von Vorteil, wenn man als Regisseur etwas von wirtschaftlichen Aspekten versteht. Aber es ist ebenso wichtig, als Produzent den Part des Geschichtenerzählens zu verstehen. Für uns hat sich diese Kombination bisher immer als sinnvoll herausgestellt, bei noch größeren Produktionen ist das dann nochmal eine andere Geschichte.
Die Filmemacher wollen aufrütteln und zum Nachdenken anregen
Wie seid ihr auf das doch außergewöhnliche und vielleicht etwas düstere Thema gekommen?
Simon: Das Thema sexueller Missbrauch ist in der katholischen Kirche bereits seit Jahrhunderten ein bekanntes Problem und fest verankert. Erschreckend ist der Fakt, dass sich bis heute seitens der Kirche nichts verändert hat. Erst nachdem etliche Opfer den Mut fassten, ihre Täter aufzusuchen, wurde die breite Öffentlichkeit darauf aufmerksam. Einzelne Opfer wurden zwar finanziell entschädigt, aber es wird nicht präventiv gegen die pädophilen Pfarrer, die immer noch ihres Amtes walten, unternommen. Diese sollte man auch nicht einfach nur stur verurteilen, die Kirche trägt ebenso eine Mitschuld daran, dass diesen Männern nicht geholfen wird und es weiterhin Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche geben wird. Unser Film erzählt die psychologischen Hintergründe vom Opfer und ebenso vom Täter. Zudem wollten wir einen Film machen, der aufrüttelt und versucht, zum Nachdenken anzuregen. Das Genre Mystery-Thriller haben wir gewählt, um den Zuschauer das Thema auf eine möglichst visuelle und erzählerisch ansprechende Art nahe zu bringen.
Wie kamt ihr zu dem doch nicht ganz unerfahrenen Schauspieler Oskar Keymer als eure Hauptperson Lukas Fuhrmann?
Simon: “Nächstenliebe” haben wir bereits 2014 gedreht, damals hatte Oskar bisher noch gar keinen Kinofilm gedreht und nur ein bis zwei Kurzfilme. Nachdem wir Aufnahmen von ihm gesichtet hatten, waren wir so begeistert, dass wir gesagt haben, der ist perfekt für den jungen Lukas in „Nächstenliebe“. Oskar ist vor der Kamera unglaublich authentisch und ich denke, daher hat er auch den großen Schritt zum Kino geschafft. Wohl verdient.
Simon Pilarksi fordert mehr deutsche Filme für die Zuschauer
Hättet ihr am Beginn oder auch während eures Studiums damit gerechnet, später gemeinsam einen bedeutenden Filmpreis zu gewinnen?
Simon: Da wir uns schon immer Filmen verschrieben haben, die einerseits Entertainment und andererseits Anspruch bieten, war das natürlich eher ungewiss. Oftmals wurden unsere Stoffe auch von Entscheidern als „Genrefilm“ abgetan. Das hat uns schon immer gewundert, denn primär sollte es bei einem Film ja um die Story gehen und danach sucht man sich das passende Genre dazu. Warum da so viele von vornherein abgeschreckt sind, mal etwas Neues zu machen, verstehen wir nicht so recht. Denn ist es nicht gerade der Genrefilm, der die meisten deutschen Zuschauer ins Kino lockt? Der Punkt ist, dass es die internationalen Genreproduktionen sind, die Erfolge hierzulande einheimsen. Deutschland muss wieder mehr Filme für die Zuschauer machen. Das ehemalige Land der Dichter und Denker steht filmmäßig international mehr als nur kläglich da.
Mal Hand aufs Herz: Wie fühlt man sich als Preisträger des hessischen Filmpreises in der Kategorie Hochschulfilm?
Simon: Es ist sicherlich eine Bestätigung, dass man mit seinen Ideen den richtigen Weg gegangen ist. Und dennoch muss viel getan werden um den Deutschen Film wieder auf Vordermann zu kriegen. Daher hat Simon auch die Gelegenheit bei der Dankesrede beim Filmpreis genutzt, um drei Lösungsvorschläge zu benennen: Das eher kreativhemmende System der einzelnen Länderfilmförderungen sollte unbürokratisch auf den Bund übertragen werden. So profitieren alle Produktionsstandorte gleichermaßen und man ist nicht gezwungen, in einem bestimmten Bundesland zu drehen. Das jährliche Budget von rund 300 Mio. Euro Fördergeldern sollte im gleichen Verhältnis auf verschiedene Genres wie Thriller, Fantasy, Action, Drama, Science-Fiction, Komödie und Arthouse aufgeteilt werden. Hierdurch wäre eine Genrevielfalt von deutschen Filmen im Kino garantiert. Es ist zudem sinnvoll, eine Mindestquote von deutschen Filmen im Kino einführen, in Frankreich hat sich das bereits bewährt. Diese Vorschläge wurden an dem Abend von den Zuschauern mit Applaus wohlwollend aufgenommen und auch der Schauspieler André Hennicke äußerte sich positiv zu Simons Meinung. Wir sind überzeugt, dass allein durch diese Reform die deutsche Filmlandschaft um ein vielfaches attraktiver und abwechslungsreicher werden würde. Aber schuld ist hier nicht nur die Filmförderung, sondern ebenso müssen Sender und Verleiher mehr Mut beweisen und wieder lernen, Genrefilme für die Zuschauer zu machen. Erfolgreiche Beispiele sind z.B. die Filme „Who am I“, „Das finstere Tal“ oder „Das kalte Herz“.“
Der selbstständige Weg zum Erfolg
Wie kamt ihr eigentlich auf die Idee, eine eigene Produktionsfirma zu gründen?
Simon: Wenn man anfängt Filme zu produzieren, denkt man natürlich auch recht schnell darüber nach, seine eigene Produktionsfirma zu gründen. Dazu haben wir uns dann auch entschieden und Sternenberg Films gegründet. Wir produzieren einerseits Werbespots mit Entertainment-Charakter für Kunden wie z.B. Strato oder Wikifolio. Und das andere Standbein ist die Spielfilmproduktion, die dem „Elevated Genre“ zuzuordnen ist. Dabei stellen wir die Bedürfnisse des Publikums in den Vordergrund und haben uns dem intelligenten Mainstream-Kino verschrieben.
Dürfen wir noch erfahren, was ihr mit dem Preisgeld vorhabt? Wird jetzt erst mal eine ordentliche Party geschmissen oder verwendet ihr das Geld für Eure nächsten Projekte?
Simon: Wir entwickeln momentan drei Stoffe für die Kinoleinwand. Und aller Voraussicht nach wird das nächste Projekt eine Thriller-Komödie. Zudem entwickeln wir noch zwei Serienkonzepte. Hierfür werden natürlich auch Ressourcen benötigt und wird treiben diese Projekte weiter und kommen bald auch in die Finanzierungsphase dieser Projekte. Aktuell sind wir auch noch auf der Suche nach weiteren Produktionspartnern.
Fotos: Sternenberg Films