Die Zukunft des Pay-TV in Deutschland und Europa
Wie der Aufstieg des Pay-TV die Bewegtbildbranche verändert, erklärte Prof. Wolfram Winter im Rahmen des Media Monday.
Ein Beitrag von Lasse Häufglöckner
Dienstag, 19. Dezember 2017
Mediencampus der Hochschule Darmstadt
180 Minuten Bewegtbild konsumiert jeder Deutsche im Durchschnitt pro Tag. Binge-Watching, das stundenlange, ununterbrochene Schauen von Serien ist für viele zu einer normalen Freizeitbeschäftigung geworden.
Da stellt sich natürlich die Frage, in welche Richtung sich die Bewegtbildbranche und speziell Pay-TV in Zukunft entwickeln. Wie die Branche zu einem derartigen Aufschwung kam und was uns in Zukunft erwarten wird, erklärte Wolfram Winter beim Media Monday.
Zur Person
Prof. Wolfram Winter ist ein “Urgestein” des deutschen Privatfernsehens. Nach seinem Studium der Politologie, Psychologie sowie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte war er als Zeitungskorrespondent in Namibia tätig. Seine weitere Karriere brachte ihn zum Münchner Lokalsender TV Weiß-Blau, dann zu Antenne Bayern, dem MDR, der Kirch-Gruppe sowie den NBC Universal Global Networks, bevor er 2007 die Premiere Star GmbH gründete. Diese wurde 2009 von Sky Deutschland übernommen.
Dort erlebte er einige turbulente Jahre im Management, bevor er im Frühjahr 2017 einen Schlussstrich zog: Winter konzentriert sich seither auf seine Professur an der Macromedia Hochschule München. Dort lehrt er seit 2011 und hat seit 2016 eine Honorarprofessur inne. Zudem schreibt er die Kolumne „Winters Wonderland“ im GQ Magazin.
Von der Pleite zur Wachstumsbranche
Laut Winter war PayTV vor allem in Deutschland lange ein Misserfolg. Während im restlichen Europa Pay-TV schnell an Zuwachs gewann, wollte das Geschäft in Deutschland nicht so recht laufen. Grund dafür könne sein, dass Deutschland das größte öffentlich-rechtliche Rundfunksystem in Europa aufweist. Dieses Angebot schien den meisten Zuschauern lange zu reichen und es gab keinen relevanten Markt für zusätzliche Pay-TV Sender. Das bekam in den 90er Jahren auch die damalige Kirch-Mediengruppe zu spüren. Die enormen Verluste, welche der Konzern mit seinem Pay-TV-Angebot hinnehmen musste, waren später einer der Gründe für den Zusammenbruch des Medienimperiums. Währenddessen war Pay-TV im Rest der EU schon recht populär. Vor allem Großbritannien ist hier führend: ungefähr jeder zweite Haushalt besitze dort ein Sky Abo, so Winter
Heute hat der Boom auch Deutschland erreicht. Seit 2015 habe Sky als erstes Pay-TV Angebot zunehmend Erfolg. So verfügen bis heute immerhin 5,1 Mio. Haushalte dort über ein Abo.
Sky ebnete also in Deutschland den Weg, doch auch für andere Konzerne der Branche ging es steil bergauf. DAZN, Netflix, Pro7, Sat1, HBO, Warner oder Sony seien nur einige der vielen Player, welche nun auch in Deutschland für Wettbewerb sorgen.
Laut Winter sind Nutzer nun auch dazu bereit, für Inhalte zu bezahlen, solange nur genug geboten werde. Durch die weiter steigenden Nutzerzahlen wird daher mehr Geld in die Branche investiert. So habe Netflix jährlich zwischen fünf und sechs Milliarden Dollar für neue Produktionen zur Verfügung. Das halte die Qualität hoch und kurbele den Markt weiter an.
Dabei würden Kooperationen zwischen verschiedene Konkurrenten immer wichtiger, um zu bestehen. So sicherte sich Sky die Rechte an der Kultserie Game of Thrones, um ein „Killer-Argument“ gegenüber dem Rivalen Netflix zu haben.
Aber auch die öffentlich-rechtlichen Sender kämen dabei mehr und mehr unter Zugzwang. Um zum Beispiel eine Antwort auf Serien wie Game of Thrones zu haben, produzierte die ARD „Babylon Berlin“. Da die Kosten hierfür enorm waren, erfolgte die Produktion in Kooperation mit Sky, wo die Serie auch per Stream verfügbar ist. Nur in den USA hat sich ausgerechnet Konkurrent Netflix die Rechte an der Serie gesichert. Der Markt wird so zunehmend unübersichtlich.
Veränderter Bewegtbildkonsum
Generell ist der Konsum von Bewegtbildmedien gestiegen. Winter interpretiert die Marktentwicklung so: Aktuell bestehe noch eine Koexistenz von OnDemand-Angeboten, also dem Bewegtbildkonsum auf Abruf und dem herkömmlichen, linearen Fernsehen.
Laut Winter mischen sich diese beiden Gattungen aber zunehmend: genutzt wird, was in der jeweiligen Situation des Rezipienten gerade passt. Hat man Sonntags um 20:15 zur Primetime nichts anderes vor, schaut man den Tatort gerne ganz klassisch im linearen TV an. Falls nicht, ist es allerdings auch längst selbstverständlich, den Film jederzeit onDemand im Stream der Mediathek zu schauen. Darüber hinaus sind Videos über Smartphone und Tablet immer und überall verfügbar.
Daher habe sich die Bedeutung des Begriffs TV in den letzten Jahren stark verändert. Winter beruft sich hier auf Anke Schäferkordt, Chefin von RTL:
Seit jeher stand TV für eine stationäre Verbreitung von Videobildern per Antenne. TV im heutigen Sinne stehe laut Schäferkordt aber eher für „Total Video“. Damit sind generell alle Arten von Bewegtbild, welche über verschiedenste Kanäle empfangen werden, gemeint.
Winter ist überzeugt: Angesichts des Wachstums bleibe es weiterhin spannend auf dem Pay-TV Markt. So würde sich das Verhältnis zwischen Privatfernsehen und den öffentlich-rechtlichen Sendern wohl grundlegend verändern. Die Schweiz wird im nächsten Jahr über eine mögliche Abschaffung der Rundfunkgebühren abstimmen. Derartige Entwicklungen würden dem Pay-TV wohl zusätzlichen Auftrieb verschaffen. Ob das jedoch für guten und wirtschaftlich unabhängigen Journalismus ein gutes Zeichen wäre, bezweifeln viele, denn in dieser für die Demokratie so wichtigen Disziplin haben sich weder Privatsender noch PayTV als bestmögliche Akteure herausgestellt.
Wann gibt es den nächsten Media Monday?
Der nächste Media Monday findet am 15.01.2018 um 17:45 statt. Christian Barrels wird über die „Integrierte Markenkommunikation des ADAC“ sprechen.