Der Ton macht die Magie
Yianni Epivatinos, Head of Sound beim Cirque du Soleil, war am 13. Juli virtuell zu Gast am Mediencampus - live aus Las Vegas
Ein Beitrag von Moritz Zschau
Mittwoch, 5. August 2020
Mediencampus der Hochschule Darmstadt
Es wird dunkel. Die Anspannung auf der Tribüne ist förmlich greifbar. Tausende Menschen sitzen dicht an dicht, starren erwartungsvoll in Richtung Bühne. Dann ist es so gut wie still. Die Sekunden vergehen und plötzlich ist es dann soweit: Die Scheinwerfer erstrahlen und werfen buntes Licht durch den riesigen Saal. Aus dem Nebel, der hinter der Bühne aufsteigt, treten zwei Artisten hervor und zeigen sich den tobenden Zuschauern. Es ertönt lauter Applaus, doch der geht unter in der aufkommenden Musik. Sanfte Geigenklänge ertönen aus allen Ecken der Halle, als wäre ein gesamtes Orchester vor Ort. Und dann beginnt die Show.
Cirque du Soleil ist eines der bekanntesten Unterhaltungs-Unternehmen der Welt. Bereits über 150 Millionen Menschen haben sich von der Show begeistern lassen. Bis vor der Covid-19-Pandemie fasste das Unternehmen weltweit über 5000 Mitarbeiter, darunter Artisten aus über 50 verschiedenen Ländern – erstaunliche Zahlen, wenn man auf die Anfänge zurückblickt: Als der Straßenkünstler Guy Laliberté 1984 den heutzutage weltbekannten Cirque du Soleil gründete, zählte dieser gerade einmal etwas mehr als 70 Mitarbeiter. Knapp 36 Jahre später gehören ihre Shows zu den Größten weltweit.
Einer der Hauptverantwortlichen für die Tontechnik bei Cirque du Soleil ist Yianni Epivatinos. Er trägt die Berufsbezeichnung „Head of Sound“ und arbeitet bereits seit vielen Jahren bei dem kanadischen Show-Unternehmen. Am 13. Juli war er virtuell zu Gast am Mediencampus und erzählte Studierenden des Studienganges Sound & Music Production von seinen Aufgaben in der Tontechnik – live aus Las Vegas. Epivatinos erzählt mit Begeisterung von seinen Aufgaben. Als „Head of Sound“ trägt er besonders viel Verantwortung für einen reibungslosen Ablauf der Show. Er sieht es als wichtigste Aufgabe an, dass keine Fehler in der Technik auftreten und alles dafür getan wird, um den Zuschauern ein unvergessliches Erlebnis zu bieten.
Jede Show eine logistische Meisterleistung
Damit die bombastischen Shows, bestehend aus Tanz, Gesang, Akrobatik und modernster Licht- und Videotechnik mehrmals im Jahr auf dem ganzen Globus verteilt stattfinden können, muss im Hintergrund viel geleistet werden. Zahlreiche Mitarbeiter sind für die Aufzeichnungen, das Licht und vor allem den Ton verantwortlich. Sie leisten einen unschätzbaren Beitrag für den Zirkus: wie auch in Filmen verleiht erst die Tonspur und die dazugehörige Musik der Handlung den besonderen Touch – nur ist sie, anders als im Kino, beim Cirque du Soleil immer Live.
Keyboards, Drums und Gitarren stellen einen ebenso essentiellen Bestandteil der Shows dar und müssen perfekt mit dem Tonsystem verbunden sein. Da sich die Lautsprecherboxen im ganzen Saal – und teilweise sogar direkt in den Sitzen der Zuschauer – befinden, benötigt es sehr viel Feingefühl und Fachwissen, um den besten Klang zu produzieren. Über 60 LKWs reisen mit Cirque du Soleil quer durch die Welt, um neben sämtlichen Requisiten, Kostümen und Instrumenten auch Lautsprecherboxen, Kabel und Mischpulte zu den Shows zu liefern.
Ton, Bild, Bewegung – Multitasken wie ein Uhrwerk
Damit die Auftritte so reibungslos wie möglich ablaufen können, werden in der Technik sehr viele Mitarbeiter benötigt. Die Koordination der Techniker muss untereinander perfekt funktionieren, damit keine Missverständnisse auftreten und sämtliche Probleme sofort behoben werden können. Gleichzeitig muss sich Epivatinos auch um die großflächigen Videoprojektionen bemühen, in denen sich die Artisten bewegen – sollte davon etwas ausfallen, kann die Vorstellung nicht stattfinden. Eine besondere Herausforderung für die vielen Mitarbeiter in der Technik ist der ständige Locationwechsel. Jede Halle verfügt über eine andere Akustik und es sind jedes Mal aufs Neue mehrere Stunden Arbeit nötig, um die Tontechnik zu installieren. Entscheidend ist, dass der Sound eine gute Mischung für die Zuschauer darstellt: Was einige als zu laut empfinden, ruft bei anderen erst die richtigen Emotionen hervor. Deshalb ist es notwendig, ein besonderes Gespür für Akustik in wechselnden Räumen zu entwickeln.
Nächste Station: Berlin
Natürlich ging die Pandemie auch am „König der Zirkusse“ nicht spurlos vorüber. Dieses Jahr wurden sämtliche Auftritte abgesagt, was das Unternehmen wie viele andere in finanzielle Schieflage brachte. Mittlerweile konnte die Tour auf Anfang 2021 verlegt werden. Damit steht vor allem zu Beginn des neuen Jahres einiges an Arbeit an, denn sobald die Show wieder läuft, wird fast täglich ein Auftritt dem Nächsten folgen.
Epivatinos motiviert seine Zuhörer, sich in Zukunft ebenfalls bei der Technik von Cirque du Soleil zu bewerben. „Ihr müsst noch keine großartigen Tonmischer sein“, macht er dem Nachwuchs Mut, sich nicht von der Größe des Unternehmens erschrecken zu lassen, „denn wir werden euch jeden Tag trainieren“. Besonders interessant dürfte deshalb für Studenten aus dem Bereich Sound sein, dass Cirque du Soleil ab Herbst diesen Jahres mit „NYSA“ eine erste permanente Show in Berlin anbieten wird.
Am Ende bleibt ein beeindruckendes Bild – als Zuschauer unterschätzt man oft, wie viel Arbeit eigentlich hinter der Magie so einer großen Show steckt – und dass der Ton nicht nur die Musik macht, sondern erst für die richtige Atmosphäre sorgt.
Weiterführende Links:
Webseite des Cirque du Soleil
Info und Tickets zu „Cirque du Soleil: NYSA“
Titelbild: TORUK 11, Errisson Lawrence © 2015 Cirque du Soleil